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Schuldenberatung und Rechtsberatungsgesetz
Irrt ein Betroffener, dem ein Verstoß gegen Art. RBERG Artikel 1 § RBERG Artikel 1 § 8 RBERG Artikel 1 § 8 Absatz I Nr. 1 RBerG vorgeworfen wird, über die Notwendigkeit des Vorliegens einer Erlaubnis zur Rechtsberatung, ist dies als Tatbestandsirrtum und nicht als Verbotsirrtum zu bewerten.
OLG Celle, Beschluß vom 25. 5. 2004 - 222 Ss 71/04 (OWi) Zum Sachverhalt:
Durch Bußgeldbescheide der StA H. vom 27. 7. 2000 sind gegen die Betr. wegen Verstößen gegen das Rechtsberatungsgesetz in jeweils 14 Fällen in der Zeit vom 13. 4. 1999 bis zum 16. 7. 1999 Geldbußen in Höhe von 500 DM je Verstoß festgesetzt worden. Durch Urteil vom 15. 7. 2002 hatte das AG die Betr. freigesprochen, weil deren Tätigkeit im Rahmen einer „S-KG” das Rechtsberatungsgesetz nicht berührt habe. Auf die Rechtsbeschwerde der StA hat der Senat das Urteil durch Beschluss vom 19. 3. 2003 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an dieselbe Abteilung des AG H. zurückverwiesen. Durch das angefochtene Urteil hat das AG die Betr. erneut freigesprochen. Die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der StA führte zur Aufhebung dieser Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Abteilung des AG.
Aus den Gründen:
Nach den Feststellungen sind die Betr. zugelassene Rechtsanwälte. Im Jahre 1999 waren sie Komplementäre und Geschäftsführer der „S-KG” in H. Entsprechend dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags sollte die „S-KG” als Gesellschaft zur S chuldenregulierung als „geeignete
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Stelle” nach § INSO § 305 InsO tätig werden. Ihre Tätigkeit für die „S-KG”, die entgeltlich im Auftrag der Schuldner die Schuldenregulierung betrieb, übten die Betr. nicht als Rechtsanwälte aus, sondern bezeichneten sich im Schriftverkehr jeweils lediglich als „Volljurist”.
Das Urteil stellt weiter fest, dass die „Angekl.” (richtigerweise: Betr.) in 14 Fällen tätig wurden mit dem Ziel, eine außergerichtliche Einigung i.S. des § INSO § 305 INSO § 305 Absatz I Nr. 1 InsO herbeizuführen. Das Urteil führt weiter aus, die Betr. seien der Auffassung gewesen, dass sie zu dieser Tätigkeit auf Grund des auf der Grundlage der Ermächtigungsnorm des § INSO § 305 INSO § 305 Absatz I Nr. 1 S. 2 InsO erlassenen Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zur Insolvenzordnung hierzu befugt gewesen seien und nicht gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoßen hätten. Die Betr. hätten angenommen, im Rahmen ihrer „Schuldenberatung” eine gem. Art. RBERG Artikel 1 § RBERG Artikel 1 § 3 Nr. 9 RBerG zulässige Tätigkeit ausgeübt zu haben, weil sie ihre „S-KG” für eine geeignete Stelle i.S. des § INSO § 305 INSO § 305 Absatz I Nr. 1 InsO gehalten hätten. Die Betr. hätten deshalb im Rahmen eines Tatbestandsirrtums über das Tatbestandsmerkmal der Erlaubnispflicht des Handelns geirrt und deshalb nicht vorsätzlich gehandelt.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat Erfolg. Die Feststellungen des angefochtenen Urteils sind lückenhaft und tragen abermals eine Freisprechung der Betr. vom Vorwurf der Verstöße gegen Art. RBERG Artikel 1 § RBERG Artikel 1 § 8 RBERG Artikel 1 § 8 Absatz I Nr. 1 RBerG nicht.
1. Im Ergebnis zutreffend ist das AG allerdings davon ausgegangen, dass ein etwaiger Irrtum der Betr. über die Notwendigkeit des Vorliegens einer Erlaubnis zur Rechtsberatung als Tatbestandsirrtum und nicht als Verbotsirrtum zu bewerten wäre.
a) Bei der Abgrenzung, ob sich ein Irrtum über den Inhalt bzw. die Notwendigkeit einer Erlaubnis zur Rechtsberatung als Tatbestands- oder Verbotsirrtum darstellt, ist zunächst die Zielrichtung des Rechtsberatungsgesetzes als Verbotsgesetz zu bestimmen. Der Irrtum über die Genehmigungspflicht eines Verhaltens kann nämlich Tatbestands- oder Verbotsirrtum sein; dies hängt vom Tatbestands- oder Rechtfertigungscharakter der Genehmigung ab.
Die Erlaubnis ist Tatbestandsmerkmal, wenn das Verhalten von der allgemeinen Handlungsfreiheit - da sozialadäquat, wertneutral oder nicht unerwünscht - an sich gedeckt wird und sie nur den Zweck hat, eine Kontrolle über potenzielle Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu ermöglichen (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Einen Rechtfertigungsgrund stellt die behördliche Erlaubnis dagegen dar, wenn das grundsätzlich wertwidrige Verhalten an sich verboten ist, im Einzelfall aber das Verbot auf Grund einer Interessenabwägung aufgehoben werden kann (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt). Während im ersten Fall ein Tatbestandsirrtum gegeben ist, liegt im zweiten Fall ein Verbotsirrtum vor (vgl. BayObLGSt 1992, 11 [14]; BayObLG, NJW 1997, NJW Jahr 1997 Seite 1319).
b) Das Rechtsberatungsgesetz ist als präventives Verbotsgesetz mit Erlaubnisvorbehalt angelegt Der Irrtum über die Gültigkeit oder die Notwendigkeit des Vorliegens einer Erlaubnis zur Rechtsberatung stellt damit einen Tatbestandsirrtum dar.
Bei Rechtsberatung handelt es sich nicht um sozial schädliches oder unerwünschtes Verhalten. Rechtsberatung ist vielmehr sozialadäquat, erwünscht und durch die Handlungsfreiheit gedeckt. Diese Bewertung entspricht der Einschätzung des BVerfG zum Erfordernis einer berufsrechtlichen Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz, das dem Gemeinwohl im Sinne der Rechtsprechung zu Art. GG Artikel 12 GG Artikel 12 Absatz I GG diene und zum Schutze der Rechtsuchenden und auch im Interesse einer reibungslosen Abwicklung des Rechtsverkehrs bezwecke, fachlich ungeeignete und unzuverlässige Personen von der geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten fern zu halten (vgl. BVerfGE 41, BVERFGE Jahr 41 Seite 378 [BVERFGE Jahr 41 Seite 390] = NJW 1976, NJW Jahr 1976 Seite 1349).
Soweit beim Irrtum über den Umfang einer Erlaubnis gleichwohl ein Verbotsirrtum angenommen wird (Erbs/Kohlhaas/Senge, § 8 RBerG Rdnr. 14), betrifft diese ohne weitere Begründung vertretene Auffassung ersichtlich eine abweichende Fallkonstellation.
c) Die Gründe der angefochtenen Entscheidung ergeben zwar nicht ausdrücklich, auf Grund welcher konkreter Bewertung die Betr. geglaubt haben könnten, für die Schuldnerberatung innerhalb der „S-KG” sei eine entsprechende Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz nicht erforderlich. Die Feststellungen erlauben jedoch den Schluss, dass die Betr. sich über die Erlaubnisbedürftigkeit der Rechtsberatung generell im Klaren gewesen waren, aber den Bedeutungsgehalt der - vom Rechtsberatungsgesetz unberührten - Schuldnerberatung nach Art. RBERG Artikel 1 § RBERG Artikel 1 § 3 Nr. 9 RBerG nicht erfasst haben könnten. Damit läge indessen im vorliegenden Fall ein Bewertungsirrtum und damit ein Tatbestandsirrtum vor (vgl. auch BayObLG, wistra 1992, WISTRA Jahr 1992 Seite 273).
2. Ob das AG indessen das Vorliegen eines entsprechenden Tatbestandsirrtums mit Recht bejaht hat, vermag der Senat auf Grund der lückenhaften Feststellungen nicht zu überprüfen.
a) So enthält das angefochtene Urteil bereits keine ausreichende Feststellungen zu den objektiven Umständen und Einzelheiten der durch die Betr. durchgeführten Schuldnerberatungen. Unerörtert bleiben die Hintergründe der Gründung und Konstruktion der Kommanditgesellschaft, die Aufgaben und der Umfang der einzelnen Tätigkeiten der Betr. innerhalb der Schuldnerberatung sowie deren inhaltliche Abwicklung.
b) Weiterhin schweigt das Urteil über den Inhalt etwaiger Einlassungen der Betr. insbesondere auch zur subjektiven Tatseite. Unklar und ebenfalls unerörtert bleibt, auf welche Grundlage die Betr. ihre nur pauschal und ansatzweise mitgeteilte Auffassung gestützt haben, im Rahmen der Schuldnerberatung nicht einer Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz bedurft zu haben und welche rechtlichen Bewertungen und Erkundigungen - insbesondere auf Grund ihrer Ausbildung als Rechtsanwälte - der Aufnahme der Tätigkeit vorgeschaltet waren.
c) Eine weitere Widersprüchlichkeit und Unklarheit des Urteils ergibt sich daraus, dass sich in der Urschrift der Urteilsurkunde auf Seite 5 unten der aus zwei Worten bestehende Beginn eines Satzes findet, der sich auf der Folgeseite nicht fortsetzt. Denkbar ist insoweit, dass es lediglich v ersehentlich unterblieben ist, die beiden Worte zu streichen; andererseits ist nicht auszuschließen, dass der begonnene Satz ursprünglich eine Fortführung erfahren hatte, die versehentlich weggefallen ist.
OLG Celle Beschluss vom 25. Mai 2004 · Az. 222 Ss 71/04 (OWi)
LG Tübingen: Beschluss vom 15.01.2009 - 12 (2) StVK 2284/07
Fundstelle: http://openjur.de/u/316514.html