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Strafaussetzung; Zahlungsunfähigkeit; Darlegung; Widerruf; Mangelnde Mitwirkung
Landgericht Tübingen
Geschäftsnummer: 12 (2) StVK 2284/07
Beschluss
vom 15. 1. 2009

1.

Die A durch Urteil des Amtsgerichts B vom 3. 5. 2007 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wird widerrufen.

2.

Der Verurteilte trägt die Kosten des aufgrund seiner sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 11. 12. 2007 am Oberlandesgericht Stuttgart durchgeführten Beschwerdeverfahrens.

Gründe:

I.

A wurde durch Urteil des Amtsgerichts B vom 3. 5. 2007, rechtskräftig seit 11. 5. 2007, wegen Beleidigung in zwei tateinheitlichen Fällen zu 2 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Im Bewährungsbeschluss wurde die Bewährungszeit auf 2 Jahre festgesetzt und dem Verurteilten auferlegt, eine Geldauflage in Höhe von 2.000,00 € in monatlichen Raten von 100,00 €, beginnend am 1. 7. 2007, an das XXX zu bezahlen.

Der Verurteilte hat trotz zahlreicher Aufforderungen bis heute keine Ratenzahlungen geleistet.

Nachdem die Bewährungsüberwachung vom Amtsgericht B an das Landgericht Tübingen abgegeben worden war, wurde der Verurteilte durch Schreiben des Landgerichts Tübingen vom 29. 5. 2007 (1. Aufforderung) und 2. 7. 2007 (2. Aufforderung) aufgefordert, seine Einkommens- und Arbeitsplatzverhältnisse darzulegen (welcher Arbeitsplatz? seit wann? welches Nettoeinkommen? Kinder? wie alt? wer bezahlt den Unterhalt? Ehefrau berufstätig? wenn ja: ganztags oder halbtags? Miete? Schulden? etc).


Da der Verurteilte weder Raten gezahlt noch auf diese Schreiben reagiert hat, hat die Staatsanwaltschaft den Widerruf der gewährten Strafaussetzung zur ewährung beantragt. Im Rahmen der Anhörung meldete sich der Verurteilte telefonisch am 31. 10. 2007 beim Landgericht Tübingen und teilte mit, dass er erst am 30. 10. 2007 aus dem Ausland, wo er sich geschäftlich aufgehalten habe, zurückgekommen sei und dass er im Laufe der nächsten Woche eine Stellungnahme abgeben werde.


Am 2. 11. 2007 erschien der Verurteilte am Landgericht Tübingen und teilte mit, dass er bislang weder eine Zahlungsaufforderung noch eine Kontonummer erhalten habe, und dass er deshalb nicht gewusst habe, an wen er die Geldauflage bezahlen solle. Er sei viel unterwegs. Zur Bestätigung legte der Verurteilte eine Bahnfahrkarte von B nach Budapest/Ungarn vor, welche am 11. und 12. 9. 2007 entwertet worden war.


Als der Verurteilte weiterhin keine Zahlung erbrachte, hat das Landgericht Tübingen mit Beschluss vom 11. 12. 2007 die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Der Verurteilte hat hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt und vorgetragen, dass er demnächst - Mitte Januar 2008 - eine Netto-Lohnzahlung aus Rumänien in Höhe von 4.500,00 € erhalte und aus diesem Betrag die Geldauflage in Höhe von 2.000,00 € bis spätestens 25. 1. 2008 in voller Höhe bezahlen werde. Zum Beleg hierfür wurde eine weitere Bahnfahrkarte von S über Budapest/Ungarn nach Y vorgelegt, welche am 21. 11. 2007 entwertet worden war.


Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wurde der Widerrufsbeschluss des Landgerichts Tübingen vom 11. 12. 2007 durch Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. 1. 2008 (4 Ws 16/2008) aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens, an das Landgericht Tübingen zurückverwiesen.


Das Landgericht Tübingen hat daraufhin Anhörungstermin zur Frage des Bewährungswiderrufs auf den 12. 2. 2008 bestimmt. Im Rahmen dieser Anhörung hat der Verurteilte - im Gegensatz zu seiner bisherigen Darstellung - angegeben, dass er seit seiner Entlassung in anderer Sache (- Strafrestaussetzung zur Bewährung durch Beschluss des LG Tübingen vom 24. 8. 2006, Az.: 12 (2) StVK j/06 -) aus der Justizvollzugsanstalt J am 10. 9. 2006 nichts gearbeitet habe. Erst auf Vorhalt seiner bisherigen Darlegungen räumte er schließlich ein, dass er in Rumänien knapp 7.000,00 € verdient habe, und dass hiervon noch 5.500,00 € in den nächsten Tagen an ihn ausbezahlt würden. Er wolle wegen der Auszahlung in den nächsten Tagen nach Rumänien reisen, sich das Geld auszahlen lassen und anschließend - nächste Woche - wenn er zurück sei, die Geldauflage mit diesem Geld bezahlen. Dem Verurteilten wurde im Rahmen des Anhörungstermins zum Bewährungswiderruf ausdrücklich noch einmal mitgeteilt, dass er sich mit dem Landgericht Tübingen in Verbindung setzen muss, wenn er aus irgend einem Grund nicht in der Lage ist, die Geldauflage zu bezahlen.



Mit Schreiben vom 4. 3. 2008 hat das Landgerichts Tübingen beim Verurteilten angefragt, ob er zwischenzeitlich - entsprechend seiner Zusage - die Geldauflage bezahlt hat und um Übersendung der Zahlungsnachweise gebeten. Der Verurteilte hat auf dieses Schreiben nicht reagiert, weshalb ein weiteres Schreiben mit dem Vermerk „2. Aufforderung“ am 1. 4. 2008 an den Verurteilten gesandt worden ist. Da auch hierauf keine Reaktion erfolgte, hat das Landgericht Tübingen erneut Anhörungstermin zur Frage des Bewährungswiderrufs auf den 27. 5. 2008 bestimmt. Im Rahmen dieses Termins hat der Verurteilte angegeben, dass er nach der letzten Anhörung die Geldauflage nicht bezahlt habe, weil er mit dem erhaltenen Geld andere Schulden habe bezahlen müssen. Er habe nächste Woche einen Termin bei der Schuldnerberatung, da er Schulden in Höhe von circa 50.000,00 € habe. Auf die Schreiben des Gerichts habe er nicht reagieren können, weil er von März bis Ende April 2008 in Rumänien gewesen sei. Er lebe derzeit vom Einkommen seiner Ehefrau, die ganztags arbeite. Arbeitslos gemeldet sei er nicht.


Dem Verurteilten, der zum Anhörungstermin in einer sauberen, blauen Latz-Arbeits-Hose erschienen war, wurde aufgegeben,

- die 7.000,00 €, die er im Februar 2008 erhalten habe, schriftlich zu belegen,
- schriftliche Nachweise (Rechnungen, Kontoauszüge, Überweisungsträger) vorzulegen, aus welchen ersichtlich ist, welche Rechnungen mit diesen 7.000,00 € bezahlt worden sind,
- die bisherigen Ergebnisse bei der Schuldnerberatung vorzulegen,
- eine Kopie der Unterlagen, die er der Schuldnerberatung vorlegen will, ebenfalls dem Landgericht Tübingen vorzulegen.

Trotz Fristsetzung hat der Verurteilte auch hierauf nicht reagiert. Das Landgericht Tübingen hat deshalb die Gerichtshilfe und das Polizeirevier B beauftragt, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verurteilten, soweit von ihrer Seite aus möglich, abzuklären und festzustellen. Die Gerichtshilfe wurde zudem beauftragt, festzustellen wie die 7.000,00 € Arbeitslohn, die der Verurteilte nach seiner eigenen Darstellung erhalten hat, verwandt worden sind. Mit Schreiben des Landgerichts Tübingen vom 22. 7. 2008 wurde der Verurteilte über die Beauftragung der Gerichtshilfe informiert und aufgefordert, mit der Gerichtshilfe zusammenzuarbeiten.


Im Rahmen eines Gesprächs mit der Gerichtshilfe am 1. 9. 2008 hat der Verurteilte seine bisherige Darstellung aufrechterhalten. Er hat auch der Gerichtshilfe keinerle i Nachweise - weder im Rahmen des persönlichen Gesprächs am 1. 9. 2008 noch nach einer Fristsetzung durch die Gerichtshilfe zur Vorlage der Nachweise - vorgelegt. Der Gerichtshilfebericht führt zudem aus, dass sich der Verurteilte insgesamt wenig kooperativ verhalten habe.


Auch die entsprechende Anfrage beim Polizeirevier B führte zu keinerlei Erkenntnissen zur Einkommens- und Vermögenssituation des Verurteilten.


Beim Landgericht Tübingen ist unter dem Aktenzeichen 12 (2) StVK j/06 ein weiteres Bewährungsverfahren hinsichtlich des Verurteilten anhängig. In diesem Bewährungsverfahren war ursprünglich ein Bewährungshelfer bestellt, jedoch musste diese Bestellung durch Beschluss des Landgerichts Tübingen vom 15. 1. 2007 aufgehoben werden, weil der Verurteilte keinerlei Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit seiner Bewährungshelferin gezeigt hat.

II.

Die A durch Urteil des Amtsgerichts B vom 3. 5. 2007 gewährte Strafaussetzung zur Bewährung ist zu widerrufen. Es liegt der Widerrufsgrund nach § 56f Abs. 1 Nr. 3 StGB vor, nachdem sich der Verurteilte gröblich und beharrlich weigert/die im Bewährungsbeschluss angeordnete Geldauflage zu bezahlen, und sich auch gröblich und beharrlich weigert, seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse offenzulegen.

1.

Trotz zahlreicher Aufforderungen, Anhörungen sowie dem Tätigwerden der Gerichtshilfe hat der Verurteilte keine Zahlungen auf die Geldauflage geleistet, obwohl er zumindest zeitweise - nämlich nach dem Erhalt des Großteils der in Rumänien verdienten 7.000 Euro Mitte Februar 2008 bis wenigstens Mai 2008 - zahlungsfähig war und zumindest einen Teil der Geldauflage hätte bezahlen können.

Der Verurteilte hat nach seiner eigenen Einlassung zumindest zeitweise gearbeitet und in Rumänien 7.000,00 € verdient, jedoch diese 7.000,00 € anderweitig, angeblich zur Bezahlung von Schulden verwandt. Er hat für diese Behauptung trotz wiederholter Aufforderung keinerlei Unterlagen oder Nachweise vorgelegt. Auch im Übrigen hat ertrotz zahlreicher Aufforderungen keinerlei Nachweise vorgelegt, aus welchen seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse ersichtlich sind.

2.

Unabhängig hiervon liegt der Widerrufsgrund nach § 56f Abs. 1 Nr. 3 StGB auch in der übrigen, bislang verstrichenen Bewährungszeit - vor Mitte Februar 2008 und nach Mai 2008 - vor. Der Verurteilte hat auch insoweit trotz zahlreicher Aufforderungen und Anhörungen keinerlei Zahlungen auf die Geldauflage geleistet. Die gerichtlichen Möglichkeiten, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Verurteilten aufzuklären, sind - nachdem der Verurteilte trotz zahlreicher Aufforderungen durch das Gericht bzw. die Gerichtshilfe jegliche Mitwirkung an der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse hartnäckig verweigert - erschöpft, so dass insoweit nicht festgestellt und dargelegt werden kann, ob der Verurteilte in dieser übrigen, bislang verstrichenen Bewährungszeit ebenfalls zahlungsfähig (bzw. selbst verschuldet zahlungsunfähig) war oder nicht. Einen derartiger Nachweis der Zahlungsfähigkeit des Verurteilten ist im vorliegenden Fall jedoch nicht erforderlich. Vielmehr liegt, nachdem eine Aufklärung der Zahlungsfähigkeit des Verurteilten gescheitert ist, in der mangelnden Mitwirkung des Verurteilten an der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse ein schuldhaftes, zumindest im Fall einer Geldauflage nach § 56b Nr. 2 oder Nr. 4 StGB zum Widerruf berechtigendes Bewährungsverhalten. Den Verurteilten trifft zwar keine Beweislast für seine Zahlungsunfähigkeit. Ihn trifft jedoch eine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

a) Die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine Strafrestaussetzung zur Bewährung wegen Nichtbezahlens einer Geldauflage widerrufen werden kann, ist strittig. c) Unabhängig von der Frage, ob man eine Geldauflage als eine materielle Geldstrafe betrachtet oder nicht, obliegt dem Gericht somit kein Nachweis der Zahlungsfähigkeit des Verurteilten. Vielmehr ist der Verurteilte - nachdem er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt, und ihm im Rahmen der Bewährung eine Geldauflage auferlegt worden ist, - im Rahmen des dem Schuld- und Strafausspruch nachfolgenden Bewährungsverfahrens wegen der bereits erfolgten Verurteilung dazu verpflichtet, bei einer Nichtbezahlung der Geldauflage an der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Rahmen seiner Möglichkeiten mitzuwirken. Wirkt er entgegen dieser Verpflichtung an der Aufklärung nicht mit, liegt allein in der mangelnden Mitwirkung ein schuldhaftes Bewährungsverhalten. Scheitert eine Aufklärung der Zahlungsfähigkeit an der Mitwirkung des Verurteilten, kann das Gericht deshalb - zumindest im Fall einer Geldauflage nach § 56b Nr. 2 oder Nr. 4 StGB - die gewährte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Das Gericht ist dann nicht verpflichtet, die Zahlungsfähigkeit des Verurteilten positiv festzustellen. Den Verurteilten trifft zwar keine Beweislast für seine Zahlungsunfähigkeit. Ihn trifft jedoch eine Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse.

(gekürzt )










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